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Strafverteidigungskosten absetzen: Wann sie als Werbungskosten gelten – Urteil mit Signalwirkung

Strafverteidigungskosten als Werbungskosten? Rechtsanwalt Carta aus München erklärt ein aktuelles Urteil des FG Düsseldorf mit großer Relevanz für Führungskräfte.

Strafverteidigungskosten bei beruflichem Vorwurf: FG Düsseldorf erkennt Abzugsfähigkeit an

In einem bemerkenswerten Urteil hat das Finanzgericht Düsseldorf die Abzugsfähigkeit von Strafverteidigungskosten als Werbungskosten bestätigt – ein Thema mit enormer Bedeutung für Führungskräfte, Manager und leitende Angestellte.

Dem Urteil lag der Fall eines ehemaligen Geschäftsführers und Syndikusanwalts zugrunde, der sich gegen den Vorwurf der Untreue im beruflichen Kontext verteidigen musste. Obwohl das Strafverfahren eingestellt wurde, hatte er über 67.000 Euro an Anwaltskosten aufgewendet. Das Gericht stellte klar: Solche Strafverteidigungskosten sind steuerlich absetzbar, wenn der Vorwurf im direkten Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht.

Rechtsanwalt Carta, München, kommentiert das Urteil:
„Dieses Urteil ist richtungsweisend für alle, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ins Visier strafrechtlicher Ermittlungen geraten. Es zeigt: Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Strafverteidigungskosten hängt entscheidend vom beruflichen Kontext ab – nicht von der Schuldfrage.“

Wichtig für Betroffene:

  • Der berufliche Zusammenhang muss im Mittelpunkt stehen

  • Ein bloßer Untreue-Vorwurf reicht nicht für den Ausschluss der Abzugsfähigkeit

  • Die Einstellung des Verfahrens kann trotzdem die steuerliche Geltendmachung ermöglichen

Tipp vom Anwalt:
Lassen Sie sich frühzeitig juristisch beraten, wenn Sie sich in einem Strafverfahren wiederfinden. Die Einschätzung, ob Anwaltskosten steuerlich geltend gemacht werden können, hängt von juristischen Feinheiten ab – Rechtsanwalt Carta in München steht Ihnen mit Erfahrung und Expertise zur Seite.

Einleitung

Die steuerliche Behandlung von Strafverteidigungskosten gehört zu den besonders sensiblen Bereichen im Spannungsfeld zwischen Steuerrecht und Strafrecht. Während sich die Finanzverwaltung oft zurückhaltend zeigt, wenn es um die Anerkennung solcher Kosten als Werbungskosten geht, bieten aktuelle finanzgerichtliche Entscheidungen neuen Spielraum – insbesondere für Arbeitnehmer in leitender Stellung.

Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 22. März 2024 (Az. 3 K 2389/21) bringt in dieser Hinsicht eine bedeutsame Klärung. Es befasst sich mit der Frage, ob Strafverteidigungskosten, die einem Geschäftsführer und Syndikusanwalt im Zusammenhang mit einem strafrechtlichen Untreuevorwurf entstanden sind, als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzuerkennen sind. Die Entscheidung stellt sowohl die praktische Handhabung für Steuerpflichtige als auch die bisherige Rechtsprechung auf eine neue Grundlage.

Sachverhalt

Im Mittelpunkt steht ein ehemaliger Chefsyndikus und Geschäftsführer verschiedener Gesellschaften innerhalb eines internationalen Konzerns. Gegen ihn wurde 2012 durch die Konzernmuttergesellschaft X. AG eine umfangreiche Strafanzeige erstattet. Die Vorwürfe: Untreue gemäß § 266 StGB sowie Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB.

Konkret ging es um den Verdacht, der Betroffene habe in seiner Funktion als Geschäftsführer bzw. Syndikusanwalt mit einem weiteren Beteiligten (U.) zusammengewirkt, um wirtschaftlich nachteilige Mietverträge mit unternehmensfremden Gesellschaften abzuschließen und Konzernleistungen wie Reinigungs- oder Montagedienstleistungen gezielt auf Drittfirmen zu verlagern. Diese standen im Einflussbereich des Mitbeschuldigten U.

Der Kläger wehrte sich gegen diese Vorwürfe mit Hilfe einer spezialisierten Strafverteidigerkanzlei. Die Ermittlungsverfahren wurden im Jahr 2019 wegen mangelnden Tatverdachts (§ 170 Abs. 2 StPO) bzw. im Einzelfall wegen Verjährung eingestellt.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Kläger die entstandenen Strafverteidigungskosten in Höhe von 67.176 € als Werbungskosten geltend – was das Finanzamt zunächst akzeptierte, später aber nach einer Prüfung wieder strich.

Rechtlicher Rahmen

Werbungskostenbegriff (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG)

Grundsätzlich sind Werbungskosten alle Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Dazu können auch beruflich veranlasste Prozess- und Verteidigungskosten zählen – wenn ein ausreichender beruflicher Zusammenhang besteht.

Abgrenzung: beruflich vs. privat

Das zentrale juristische Kriterium ist der sog. „Veranlassungszusammenhang“:

  • Die Aufwendungen müssen objektiv durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sein.

  • Der Tatvorwurf muss sich auf Handlungen beziehen, die in Ausübung – nicht nur bei Gelegenheit – des Berufs erfolgt sind.

Insbesondere bei strafrechtlichen Vorwürfen wie Untreue oder Bestechung ist strittig, ob ein solcher Zusammenhang besteht. Denn hier steht der Verdacht einer vorsätzlichen Schädigung des Arbeitgebers oder einer privaten Bereicherung im Raum – beides kann gegen eine steuerliche Berücksichtigung sprechen.

Die Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf

Das FG Düsseldorf hat in bemerkenswerter Klarheit zugunsten des Klägers entschieden und die Strafverteidigungskosten als nachträgliche Werbungskosten anerkannt.

1. Veranlassungszusammenhang liegt vor

Das Gericht stellte fest, dass die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen unmittelbar aus seiner beruflichen Tätigkeit als Geschäftsführer und Syndikusanwalt resultierten. Die betreffenden Entscheidungen (z.B. Abschluss von Mietverträgen, Geschäftsverlagerungen) fielen eindeutig in seinen Aufgabenbereich. Ein objektiver Zusammenhang zur nichtselbständigen Tätigkeit war daher gegeben.

2. Kein überlagernder privater Zusammenhang

Entscheidend war, dass kein Nachweis einer privaten Bereicherungsabsicht oder eines Schädigungsvorsatzes vorlag. Der bloße Verdacht – selbst wenn er von der Konzernmutter schriftlich erhoben wurde – reiche nicht aus, um den Werbungskostenabzug zu versagen.

Das Gericht hob hervor, dass die Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurden. Auch dort, wo der Verdacht nicht ausgeräumt, sondern aus verfahrensrechtlichen Gründen (z.B. Verjährung) nicht weiterverfolgt wurde, konnte dem Kläger kein maßgeblich privat motiviertes Verhalten nachgewiesen werden.

Besondere Bedeutung für den Vorwurf der Untreue (§ 266 StGB)

Das FG Düsseldorf hebt – im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH – hervor, dass gerade beim Tatbestand der Untreue nicht allein der Vorwurf genügt, um den Werbungskostenabzug zu versagen. Vielmehr ist entscheidend, ob das zugrunde liegende Verhalten aus der beruflichen Rolle heraus erfolgte und ob ein Nachweis für private Motive geführt werden kann.

Damit wendet sich das FG Düsseldorf ausdrücklich gegen restriktive Auslegungen anderer Finanzgerichte, etwa des FG Thüringen, das bei Eigenbereicherungsverdacht generell den Werbungskostenabzug ausgeschlossen hatte.

Praxisrelevanz und Auswirkungen

Diese Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für viele Berufsgruppen:

  • Geschäftsführer, Vorstände und leitende Angestellte

  • Syndikusanwälte, Compliance-Beauftragte

  • Beamte oder Personen mit hoher Verantwortung

Denn wer sich im Rahmen seiner Berufsausübung einem strafrechtlichen Vorwurf gegenübersieht, kann für die Verteidigung erhebliche Kosten aufbringen müssen. Die steuerliche Abzugsfähigkeit dieser Kosten kann wirtschaftlich von großer Relevanz sein – zumal Verfahren oft Jahre dauern und ein Freispruch oder eine Einstellung keine Rückerstattung garantiert.

Abschließende rechtliche Würdigung

Das Urteil unterstreicht die Notwendigkeit, bei der steuerlichen Einordnung von Strafverteidigungskosten eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen. Insbesondere bei komplexen Vorwürfen wie Untreue, bei denen eine Trennung zwischen beruflicher und privater Sphäre nicht immer eindeutig ist, ist eine Einzelfallprüfung geboten. Der vom FG Düsseldorf betonte Vorrang des objektiven beruflichen Zusammenhangs – gegenüber einem rein hypothetischen Motiv der Eigenbereicherung – stärkt die Position betroffener Berufstätiger deutlich.

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