BGH kippt Sexualstrafurteil wegen fehlerhafter Beweiswürdigung
Beschluss vom 04.12.2024 – 6 StR 232/24
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Luigi A. Carta – München, Rechtsanwalt für Strafrecht in München
BGH: Aussage gegen Aussage erfordert strenge Maßstäbe
In einem aktuellen Beschluss vom 4. Dezember 2024 hat der Bundesgerichtshof erneut klargestellt: Wer im Sexualstrafrecht allein auf die belastende Aussage einer Zeugin stützt, muss besonders genau arbeiten. Die Entscheidung (6 StR 232/24) hebt ein Urteil des Landgerichts Verden vollständig auf – wegen gravierender Mängel in der Beweiswürdigung.
Der Fall – schwerwiegende Vorwürfe, unzureichende Begründung
Der Angeklagte war zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Ihm wurde vorgeworfen, seine Tochter über Jahre hinweg sexuell missbraucht zu haben. Das Landgericht stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Aussage der Nebenklägerin sowie eine teilweise geständige Einlassung. Der BGH kassierte das Urteil – wegen rechtsfehlerhafter Beweiswürdigung.
Aussage gegen Aussage – hohe Anforderungen an das Gericht
Der BGH betont in ständiger Rechtsprechung: Steht Aussage gegen Aussage, bedarf es einer besonders sorgfältigen und nachvollziehbaren Beweiswürdigung. Diese muss erkennen lassen,
- dass alle relevanten Umstände erkannt und abgewogen wurden,
- dass eine methodisch korrekte Konstanzanalyse durchgeführt wurde,
- und dass die Aussageentwicklung geschlossen dokumentiert ist.
Die Mängel des Landgerichts Verden
Der BGH benennt im Beschluss mehrere zentrale Versäumnisse:
- Keine geschlossene Darstellung der Aussageentwicklung (Polizei, Richterin, Hauptverhandlung)
- Widersprüche unbeachtet – z.B. zu Tatzeitpunkten und Details einzelner Übergriffe
- Psychologische Voreinflüsse (z. B. Stabilisierungsgespräch) nicht gewürdigt
- Unzulässige Verweise auf frühere Beschlüsse statt eigener Darstellung im Urteil
- Fehlende Begründung für Einstellung der gravierendsten Anklagepunkte (§ 154 Abs. 2 StPO)
Folgen: Aufhebung und neue Hauptverhandlung
Das Urteil wurde in vollem Umfang aufgehoben. Die Strafsache wurde an eine andere Kammer des Landgerichts zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Der BGH betont: Selbst eine teilweise geständige Einlassung kann keine lückenhafte Beweiswürdigung heilen.
Was bedeutet die Entscheidung für Praxis und Verteidigung?
Die Entscheidung ist ein Weckruf an Strafgerichte: Aussagepsychologie ist kein Bauchgefühl. Richter müssen die Aussagen belastender Zeugen methodisch durchdringen und transparent dokumentieren. Auch bei glaubwürdigem Auftreten reicht es nicht, die Begründung der richterlichen Überzeugung zu verkürzen oder auf frühere Texte zu verweisen.
Fazit: Aussagepsychologie ist keine Nebensache
Strafurteile im Sexualstrafrecht stehen und fallen mit der Beweiswürdigung. Der Beschluss zeigt eindrucksvoll, wie wichtig eine saubere Analyse und Darstellung der Aussageentwicklung ist – im Interesse von Opfern wie auch Beschuldigten.
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